21. Juli – bundesweiter Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende

Aktionen

Ein Tag, der seit über 25 Jahren begangen wird und von einem starken Netzwerk gemeinsam mit uns Eltern getragen wird.

Am 21. Juli begehen deutschlandweit in vielen Kommunen Betroffene, Angehörige und Einrichtungen aus der Suchthilfe gemeinsam den Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende. In den letzten Jahren fanden Veranstaltungen in weit mehr als 100 Städten statt. Durch die Beteiligung von ca. 350 Organisationen und Initiativen in Deutschland hat sich der Gedenktag am 21. Juli zum größten bundesweiten Aktions-, Trauer- und Präventionstag im Bereich illegalisierter Drogen entwickelt. Auch international finden an diesem Tag inzwischen zahlreiche Aktionen statt, zum Beispiel in Spanien, Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien, Kanada, Australien oder Schweden.

Die Zahlen machen uns auch dieses Jahr wieder fassungslos: Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist 2023 erneut gestiegen und liegt so hoch wie nie. 2.227 drogenbedingte Todesfälle wurden registriert, ein Rekordwert. Und die Dunkelziffer, so der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, könnte noch höher liegen, denn nicht jede*r Tote werde toxikologisch untersucht und obduziert.

Das diesjährige Motto des Gedenktags: Konsumsicherheit für alle(s) – Mischkonsum und „Benzos“ aktuell im Fokus unserer Sorgen als Eltern

Der Gedenktag ist für uns Eltern keine abstrakte Zahl. Hinter den Toten verbergen sich unsere Kinder, die wir großgezogen und geliebt haben und deren oft langen Leidensweg durch die Sucht, verbunden mit körperlichem, seelischem und sozialem Leid, wir begleitet haben. Wut, Ohnmacht, Hilflosigkeit bleiben – denn wie oft haben wir Hilfe angemahnt, die die deutsche Gesellschaft nicht leisten will –, mit dramatischen Konsequenzen, wie die steigenden Zahlen der Todesfälle zeigen. Leider trifft es auch immer häufiger unsere jüngeren Kinder.

„Benzos“ sind als Droge wegen ihrer beruhigenden Wirkung bei Jugendlichen beliebt. Was viele Jugendliche und wir Eltern allzu oft nicht wissen: Im Mischkonsum mit anderen Substanzen kann der Konsum zum Tod führen. Benzodiazepine (kurz „Benzos“ genannt) sind eigentlich Medikamente – aber sie werden immer häufiger auch als Droge eingenommen. Zu hoch dosiert oder zum Beispiel in Kombination mit anderen Substanzen können sie tödlich sein. Häufig sind das Heroin, Kokain oder Alkohol. „Benzos“ werden auch von illegalen Laboren hergestellt, ihre Einnahme ist „russisches Roulette“.

Zur Idee und Historie des Gedenktags

Erinnerung an die Verstorbenen, Öffentlichkeit schaffen, informieren und entstigmatisieren – das sind unsere Anliegen.

Am 21. Juli erinnern Eltern und Angehörige, Partner*innen, Freund*innen und solidarische Mitbürger*innen an die Verstorbenen. Zugleich nutzen sie Mahnwachen, Gottesdienste, Infostände und andere Aktionen, um Ideen und Maßnahmen für eine wirksamere Drogenpolitik vorzustellen.

Die Initiative für den Gedenktag ging vor fast 30 Jahren von Karin Stumpf aus.

Am 21. Juli 1994 starb Ingo Marten in Essen-Altenessen infolge des Drogenkonsums. Drei Tage nach seinem Tod wurde er in der Nähe eines Essener Obdachlosenheims gefunden. Am 21. Juli 1995, ein Jahr danach, hielten seine Mutter Karin Stumpf und weitere 14 Personen eine Mahnwache, machten auf die Drogenproblematik aufmerksam und forderten deren Bekämpfung. Künftig sollte die Mahnwache an jedem 21. Juli stattfinden.

Karin Stumpf hatte sich bereits kurz nach dem Tod ihres Sohnes für die Errichtung einer Gedenkstätte für verstorbene Drogengebrauchende in Gladbeck eingesetzt. Im Laufe des Jahres 1995 stellte das Quarzwerk Dorsten den Stein, Baumschulen spendeten sieben Säuleneichen und die Eltern einen Ginkgo-Baum. Die Gedenkstätte wurde 1995 in Gladbeck eingeweiht.

Gedenkstein in Gladbeck, Im Wittringer Wald
Gedenkstein in Gladbeck, Im Wittringer Wald

Vorangetrieben wurde die Einführung des Gedenktages weiter von Jürgen Heimchen, dessen Sohn am 21. Juni 1992 verstorben war. Er gründete 1993 die Selbsthilfegruppe „Elterninitiative für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik Wuppertal“ und wurde später Vorsitzender des „Bundesverbandes der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit“.

Anlässlich des Gedenktags haben wir mit Mandy Jörgensen aus Schleswig-Holstein gesprochen

Ihr Sohn ist vor kurzem viel zu jung aufgrund seines Konsums gestorben. Das Gespräch möchten wir mit Euch teilen. Mandy spricht über ihre Gefühle an diesem Tag, teilt ihre Sicht darauf, wie der Umgang mit Drogensucht in Deutschland verbessert werden kann und gibt uns Eltern wertvolle Gedanken mit auf den Weg.

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Mehr Informationen

Für eine bessere Suchthilfe: Petition der Mutter eines Drogenopfers in Schleswig-Holstein erfolgreich!

Mandy Jörgensen, eine Mutter aus Schleswig-Holstein, deren Sohn vor Kurzem verstorben ist, hat eine Petition für eine bessere Suchthilfe in ihrem Bundesland eingereicht. Da die Bereitstellung ausreichender Plätze für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung Ländersache ist, richtete sie ihre Forderungen an den dortigen Landtag.

Link zur Petition: Bessere Suchthilfe für Jugendliche und junge Erwachsene

Die Petition hat die erforderliche Anzahl von Unterzeichnern erreicht. Damit muss der Landtag das Anliegen der Petition beraten und Mandy Jörgensen im Landtag dazu anhören.

Wir alle werden Mandy Jörgensen dabei unterstützen, denn ihr Vorgehen hat Modellcharakter und könnte ähnliche Eingaben in anderen Bundesländern ebenfalls zum Erfolg führen. Wir hoffen, dass damit endlich etwas in Bewegung kommt, damit ausreichend Klinik- und Therapieplätze insbesondere für unsere Heranwachsenden zur Verfügung gestellt werden, wie dies schon lange von führenden Suchtärzten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wie zum Beispiel Prof. Thomasius, gefordert wird. (Themen der Zeit; Suchtkranke Kinder und Jugendliche schlecht versorgt, Deutsches Ärzteblatt PP 10/2018

Wer steht heute hinter dem Gedenktag?

Damals startete auch diese Initiative mit dem Ziel, Menschen aus der Drogenselbsthilfe sowie An- und Zugehörige von Drogengebrauchenden an einen Tisch zu bekommen. Dies gelang und ist eine echte Erfolgsgeschichte: Bis heute trägt das damals geschmiedete Netzwerk den Gedenktag! Ihm gehören der Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit, der Selbsthilfeverband Junkies, Ehemalige und Substituierte (JES), die Deutsche Aidshilfe (DAH), das Netzwerk akzept e. V. und die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) an. Das Netzwerk legt das jährliche Motto fest und bereitet die Kampagne für den Gedenktag bundesweit vor.

2021 schieden die Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft der Eltern und Angehörigen aus dem Netzwerk altersbedingt aus und übergaben den Staffelstab an die ARWED e. V. bzw. an die ebenfalls in 2021 aus der ARWED e. V. heraus entstandene Initiative fragEltern. Die ARWED e. V. hatte in dem Jahr den Schritt vollzogen, die strikt abstinenzorientierte Haltung des Verbands aufzugeben. Inzwischen ist die akzeptierende Haltung des Verbands auch in seiner Satzung verankert.

Diese Zäsur stellt zudem einen Neustart der Netzwerkarbeit von DAH, JES, akzept e. V. und DGS dar. Stärker als bisher sollen die unterschiedlichen Blickwinkel und Fähigkeiten der Unterstützer*innen zusammengebracht werden, um ggfs. über den Gedenktag hinausgehende Netzwerke zu stärken.

Wir brauchen Ihre Unterstützung

Wir von fragEltern setzen uns ehrenamtlich und mit Herzblut für Verständnis und Unterstützung im Bereich Drogensucht ein. Wichtige Projekte, wie zum Beispiel unsere öffentlichen Kampagnen, unsere Arbeit des politischen Einmischens oder eigene Evaluierungen und Veröffentlichungen sind aber sehr aufwendig und erfordern entsprechende Mittel. Die uns in der Selbsthilfe zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten für unsere Initiative reichen dafür leider nicht aus.

Ihre Spende ermöglicht es uns, weiterhin aus unserer Elternperspektive aufzuklären, Orientierung zu bieten und politische Forderungen für eine verbesserte Versorgung einzubringen. Jeder Beitrag bringt uns einen Schritt näher zu einer Gesellschaft, die Familien in dieser herausfordernden Situation stärkt und unterstützt.

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Vielen Dank für Ihre Solidarität!